Von Weltuntergang zu Weltverständnis – wie ich gelernt habe, mit Katastrophen zu leben

Es gibt Jahrzehnte, die klin­gen nach Aufbruch. Und es gibt wel­che, die klin­gen nach Warnsirenen. Unsere Geschichte ist voll davon – Nachrichten, Krisen, Weltuntergänge – die nie kamen. Wenn Du zurück­blickst, siehst Du kei­ne Katastrophe, son­dern ein Muster:
Die Welt geht nicht unter. Sie dreht sich wei­ter und das aktu­el­le Thema ändert sich.

Nein, ich ver­schlie­ße nicht die Augen vor den Herausforderungen unse­rer Zeit. Doch ich ver­traue auf den wis­sen­schaft­li­chen Ansatz, auf Forschung und die Lösungsfindung, die unse­re Spezies großmachte.

Die 1980er – Endzeit im Neonlicht

Die Achtziger rochen nach Haarspray, aber auch nach Angst. Und das zieht sich durch die Menschheitsgeschichte. Damals war ich noch besorgt um mei­ne Zukunft.

Reagan, der Kalte Krieg, das Wettrüsten – alles fühl­te sich an wie ein Countdown. Der Atomkrieg war kein abs­trak­tes Szenario, son­dern ein Fernsehmoment. Filme wie The Day After oder Tag null zeig­ten, wie die Welt in Flammen auf­geht – und jeder glaub­te, es könn­te wirk­lich so enden. Eine Bedrohung, die bei uns am Abendbrottisch und bei den abend­li­chen Nachrichten prä­sent war. Opa übte den Ernstfall und ich bekam regel­mä­ßig ein Tic Tac auf das ich drauf­bei­ßen soll­te – eine Übung, um im Falle einer rus­si­schen Invasion nicht in Gefangenschaft zu gera­ten, son­dern dank Opas alten Zyankalikapseln ein schnel­les Ende zu finden.

Dann kam 1986: Tschernobyl.
Die Katastrophe, die alles ver­än­der­te. Ich durf­te nicht mehr drau­ßen auf dem Spielplatz spie­len, Wolken wur­den zu Feinden. Pilze lös­ten Skepsis in mir aus. Und ich erin­ne­re mich dar­an, dass ich Pilze immer erst zwei Stunden nach mei­nen Eltern aß, um einen zeit­li­chen Vorsprung zu haben im Fall einer Vergiftung; kind­li­che Naivität. Der Glaube an Sicherheit war dahin. Vertrauen in Technik? Verbrannt. Das zieht sich bis heu­te durch, indem wir auf nicht durch­gän­gig ver­füg­ba­re Wind- und Wasserkraft set­zen, anstatt auf die sau­be­re, ver­füg­ba­re und güns­ti­ge Kernkraft.

Gleichzeitig: AIDS. Eine Krankheit, die Angst mach­te, ohne sicht­bar zu sein. Plötzlich wur­de Nähe gefähr­lich. Menschen. Sex. Und das zog sich durch mei­ne Pubertät hin­durch. Wieso muss­te Sex aus­ge­rech­net in mei­ner Jugend gefähr­lich wer­den?
Zwei unsicht­ba­re Bedrohungen – und ein Jahrzehnt vol­ler Schutzanzüge und Schweigen.

Lehre: Die 80er waren das Jahrzehnt, in dem Angst einen Körper bekam – radio­ak­tiv, viral, unsichtbar.


Die 1990er – Angst wird global

1990 explo­dier­te der nächs­te Schock: die Exxon Valdez.
Ein ein­zi­ger Tanker, der ein Meer ver­gif­tet. Das Bild eines ölver­kleb­ten Vogels ging um die Welt – und plötz­lich war „Umwelt“ kein grü­nes Hippiethema mehr, son­dern Mainstream. Und mit der Vergiftung unse­rer Umwelt, konn­te man schon damals die Jugend ködern. Mich.

Kaum erholt, kam die nächs­te Schlagzeile: „Polkappen schmel­zen – Weltuntergang
Die Panik vor einer Welt unter Wasser, Klimawandel und dem Kampf um Trinkwasser.
Die 90er waren bereits das Jahrzehnt der glo­ba­len Erwärmung – und der glo­ba­len Hysterie. Keine Erfindung schul­schwän­zen­der Kinder der heu­ti­gen Zeit, die in auf­rich­ti­ger Sorge ihren Unmut kundtun.

Es war, als hät­ten die Medien end­lich ein Thema gefun­den, das nie endet.

Dann 1999: West-Nil-Virus.
Ein paar tote Vögel – und die Nachricht, dass ein Virus bald die Welt über­rol­len könn­te.
Das ers­te Mal, dass Angst viral ging, im wahrs­ten Sinne. Eine Krankheit von denen über­tra­gen, die über­all hin­ge­lan­gen – Vögeln. Unaufhaltsam, unsicht­bar wie das HIV. Rationalität wur­de aus­ge­blen­det. Unwissenheit sorg­te für Sorge. 

Und schließ­lich: Millennium Bug.
Die Computer soll­ten beim Jahreswechsel 2000 alles löschen – Banken, Flugzeuge, Stromnetze.
Wir war­te­ten auf den digi­ta­len Weltuntergang. Wortwörtlich. Ich bin mit mei­ner dama­li­gen Freundin Steffi auf einen Hügel gefah­ren und wir war­te­ten auf den Silvestermoment von 1999 auf 2000. Die Zeit kam näher. 23:59h. 55s…56s…57s…57s…58s…59s… Millennium! Die Lichter blie­ben an. Die Banken blie­ben ver­füg­bar. Die Flugzeuge oben am Himmel. Und die Welt dreh­te sich wei­ter.
Und als der Millenniums-Bug nicht zuschlug, lach­ten wir – nervös.

Lehre: Die 90er waren die Generalprobe für Dauerpanik. Angst wur­de glo­bal, und das Gefühl von Sicherheit zum Luxus.


Die 2000er – Die Angst geht online

2001 brann­ten die Türme.
Jeder weiß, wo er war. Der 11. September war der Tag, an dem die Welt die Luft anhielt – und nie wie­der rich­tig atme­te.
Von da an hieß Sicherheit „Kontrolle“. Grenzen, Flughäfen, Daten – alles wur­de über­wacht. Und Angst sowie maxi­ma­le Kontrolle waren plötz­lich poli­tisch wie­der salon­fä­hig. Wurden vom Volk ein­ge­for­dert. Ein Überwachungs-Buffet für Regierungen, die sich nun mit der Segnung des Volkes bedie­nen konnten.

Dann kam SARSVogelgrippeSchweinegrippe.
Immer neue Viren, immer neue Schlagzeilen. Das gab es jedoch bereits zu mei­ner Jugend. Da hieß es Rinderwahnsinn oder Creutzfeldt-Jakob. Und jedes Mal das­sel­be Muster: Alarm, Panik, Beruhigung.

2008 folg­te die Finanzkrise – das ers­te Mal, dass Zahlen töd­lich wirk­ten. Menschen ver­lo­ren Jobs, Häuser, Vertrauen.
Und wie­der: die­sel­be Sprache, die­sel­ben Bilder. Der Zusammenbruch wur­de zur Metapher des Lebens.

Lehre: Die 2000er haben Angst digi­ta­li­siert. Was frü­her Panik war, wur­de jetzt Streaming.


Die 2010er – Angst wird Identität

2011: Fukushima.
Ein Reaktor explo­diert, eine Nation steht still. Deutschland steigt aus der Atomkraft aus – und ein Tsunami wird zum Symbol für die Ohnmacht moder­ner Technik. Radioaktives Wasser wur­de ins Meer abge­las­sen. Panik vor der glo­ba­len radio­ak­ti­ven Verseuchung. Und aber­mals för­dert man­geln­de Bildung Angst und Schrecken im Volk. Der Anfang des Wahnsinns, der uns heu­te umgibt. Statt sau­be­rer Kernkraft, die güns­tig ver­füg­bar ist, nut­zen wir heu­te Windkraft und Wasserkraft. Volatil. Nicht kal­ku­lier­bar ver­füg­bar. Was Angst erreicht, wird hier­an sicht­bar, und selbst Die Grünen pro­fi­tie­ren von der schie­ren Angst des Volkes und konn­ten Ideologie vor Vernunft ver­kau­fen und an Wählerschaft gewin­nen. Angst för­dert nicht nur die Rechten.

Im sel­ben Jahr: EHEC. Menschen star­ben an Salat. Die Schlagzeilen über­schlu­gen sich – Gurken, Sprossen, Panik. Ein Bakterium reich­te, um Europa lahm­zu­le­gen. Aus heu­ti­ger Sicht absurd, doch damals war Salat für vie­le fak­tisch so gefähr­lich wie ver­dor­be­nes aus dem Müll.

Dann 2012: Der Maya-Kalender. Er sag­te den Weltuntergang vor­aus. Das Internet dreh­te durch. Weltuntergangsblogs, YouTube-Propheten, Weltende-Events. Nichts pas­sier­te. Aber das Vertrauen in die Vernunft war dahin.

ISIS, Anschläge, Flüchtlingskrise, Trump, Greta. Jedes Jahr eine neue Erregung, jede Angst eine Bewegung. Man konn­te sich kaum noch ent­schei­den, wovor man sich fürch­ten wollte.

Lehre: Angst wur­de zum Mainstream. Sie defi­nier­te Zugehörigkeit. Nicht mehr „was Du glaubst“, son­dern „wovor Du Angst hast“ ent­schied, wer Du bist.


Die 2020er – Angst als Dauerzustand

2020: Corona. Ein Virus legt die Welt lahm. Grenzen schlie­ßen, Städte ver­stum­men. Masken, Impfstoffe, Streit. Nie war Angst so glo­bal, so kon­kret, so spal­tend. Im Nachhinein? Unbegründet. Die einst ver­lach­ten Querdenker behiel­ten recht. Ich selbst ließ mich imp­fen. Überzeugt, unbe­reut. Doch der Eingriff in die Privatsphäre erreich­te bis dahin unvor­stell­ba­re Dimensionen. 2020 hei­ra­te­ten Conny und ich nach sieb­zehn Jahren wil­der Ehe – nur mit unse­rer bes­ten Freundin Steffi und unse­rer Tochter Jessica samt unse­rem Schwiegersohn Daniel. Trauzeugen durf­ten nicht ins Standesamt. Der Wahnsinn erreich­te einen Höhepunkt.

Dann 2022: Krieg in Europa. Die Ukraine wird von Russland ange­grif­fen. Ein Land greift ein ande­res an – und plötz­lich riecht der Bildschirm nach Vergangenheit. „Zeitenwende“ nen­nen sie es. Wieder ein gro­ßes Wort für eine alte Wahrheit: Frieden ist zer­brech­lich. Wir schau­en zu, wie ein Land ein ande­res atta­ckiert, ohne es zu ver­hin­dern – wer fragt, wie­so Hitler nicht auf­ge­hal­ten wur­de von den ver­ein­ten Ländern, erlebt es heu­te wie­der live mit und kann es sich beant­wor­ten: aus Angst. 

2023: KI. Die nächs­te Welle. Die Angst vor der Maschine, die denkt. Wieder das­sel­be Gefühl – Faszination und Furcht in einem Atemzug. Und span­nend zu sehen, wie vie­le Menschen skep­tisch die neue Macht beäu­gen. Voller Sorge, statt die vie­len Vorteile zu sehen. Die mensch­li­che Natur ist Angst.

Und jetzt, 2025: Dauerkrise. Klima, Krieg, Inflation, Identität. Die Welt wankt, aber sie fällt nicht. Wir beschäf­ti­gen uns mit Gendersprache und poli­ti­sche Korrektheit gewinnt Oberhand. Negerkuss. Zigeunersoße. Eine fal­sche Äußerung stellt Dich an den Pranger. Minderheiten agie­ren plötz­lich so, als wären sie in der Überzahl. Einer schreit immer auf. Jemand ist immer belei­digt. Irgendeinem trittst du schon auf den Schlips. Angst vor den eige­nen Gedanken und deren Äußerung bahnt sich an.
Zum Negerkuss eine – heu­te sprach­lich unan­ge­brach­te – Anekdote: Meine Mutter frag­te mich in der S‑Bahn, ob ich einen Negerkuss wol­le. Ich war damals vier Jahre alt. Und ich freu­te mich und bejah­te. Sie mein­te, ich sol­le zu der Frau auf der Bank gehen, sie gäbe mir einen. Und ich ging zu ihr hin und bat sie um einen Negerkuss. Du kannst Dir nicht im Ansatz mei­ne Irritation vor­stel­len, als sie mir einen Schmatzer auf die Wange gab. Ich woll­te einen Negerkuss und wur­de ent­täuscht. Nein, ich habe nicht im Ansatz etwas Rassistisches damit in Verbindung gebracht. Für mich war es immer die­se Leckerei, die ich bis heu­te gele­gent­lich nasche.

Lehre: Angst ist kein Zeichen des Untergangs, son­dern der Evolution. Jede Generation hat ihre Prüfung. Unsere ist eben per­ma­nent online.


Fazit – Die Welt geht nie unter. Sie geht nur weiter.

Wenn Du auf all das zurück­blickst, siehst Du kei­ne Abfolge von Katastrophen.
Du siehst die Geschichte einer Spezies, die immer wie­der Angst hat­te – und immer wie­der wei­ter­mach­te. Die Lösungen fand. Möglichkeiten ent­deck­te. Mithilfe von Wissenschaft und Vernunft. 

Zu mei­ner Kindheit war die Ruhr ein bedenk­lich gif­ti­ger Fluss, in dem das Baden schon mal mit Hautausschlag und bren­nen­dem Jucken gedankt wur­de. Heute sind die in ihr gean­gel­ten Fische ess­bar und das Baden ist ledig­lich eine net­te Abkühlung.
Das Ozonloch – eine Bedrohung mei­ner Jugend – das Ende der Menschheit, da es Jahrzehnte daue­re, bis die Löcher geschlos­sen sei­en. Auch hier half die Forschung sowie das FCKW-Verbot in Sprühflaschen wei­ter.
Weiße Hemden, die mei­ne Mutter drau­ßen auf­ge­hängt hat­te, waren grau vom Dreck in der Luft. Smog. Ich durf­te oft nicht drau­ßen spie­len oder zur Schule – letz­te­res war toll. Warum? Weil die Luft ver­dreckt gewe­sen ist. Ebenfalls fan­den Wissenschaftler Lösungen, die die Luft wie­der sau­ber wer­den lie­ßen.
Und die „Klimapanik” wie sie heu­te exis­tiert, wur­de zu mei­ner Zeit eben­falls sug­ge­riert – das gro­ße Baumsterben. Saurer Regen. Tote Bäume. Eine Zukunft ohne Sauerstoff. Jung und naiv glaub­te ich dies, so wie die heu­ti­ge Jugend und jun­ge Erwachsene von der Klimapanik erfasst sind. Und aber­mals fand die wis­sen­schaft­li­che Forschung eine Lösung für ein angeb­lich nicht zu lösen­des Problem.

Angst ist unser Frühwarnsystem. Sie zeigt, dass wir leben, dass wir noch hof­fen, dass uns etwas wich­tig ist.
Die Kunst ist nicht, ohne Angst zu leben. Sondern trotz ihr wei­ter­zu­ma­chen. Denn das ist viel­leicht das ältes­te Muster der Menschheit: Wir über­le­ben. Immer. Und jedes Mal etwas bewusster.

Und gera­de heut­zu­ta­ge immer wich­ti­ger. Zu hin­ter­fra­gen. Cui bono? Wem nützt es? Wer pro­fi­tiert von Deiner Angst?

Wenn ich eines lern­te, ist es, auf Vernunft, Wissenschaft, Freiheit im Denken und Forschung zu set­zen, statt ängst­lich auf den Weltuntergang zu war­ten. Der wird nicht kommen.

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