Ohne das Wissen über Sonnensysteme in meinem Umfeld wäre ich ein anderer Mensch.

Winter.
Es wird früh dunkel.
In den Straßen sind die Häuser von innen beleuchtet.

Ich mag diese Jahreszeit, denn wenn ich durch die Straßen ziehe, sehe ich nicht viele unterschiedlich dekorierte Fenster, hinter denen Licht scheint, sondern ich sehe, wie sich das Leben der Menschen wirklich abspielt.

Jeder einzelne lebt in seinem eigenen Kosmos. Das sind nicht beleuchtete Wohnungen, es sind Sonnensysteme. Städte sind Galaxien, die tausende Sonnensysteme beinhalten. Und jedes einzelne davon betrachtet sich als Zentrum des Universums.

Lasse uns einmal gemeinsam betrachten, was das genau bedeutet, wie sich das für dich auswirkt und was es im Allgemeinen bedeutet.

Sonnensysteme — in deiner Nachbarschaft

Wenn wir offenen Auges durch die Straßen gehen, dann fällt uns insbesondere in der dunklen Jahreszeit des Winters auf, wie viel Leben sich hinter den schützenden Mauern abspielt. 

Überall hell erleuchtete Fenster, hinter denen freudige Momente und tiefste Dramen stattfinden, während wir unbeachtet des Geschehens die Straße entlanggehen.

Das brachte mich in den Anfängen meiner Zwanzigerjahre dazu, zu verstehen, dass dies keine Wohnungen sind, sondern eigene Sonnensysteme.

Hinter jeder Wohnung verbergen sich unterschiedliche Lebensgeschichten. Es gibt Menschen, die allein leben. Andere zusammen mit einem Lebenspartner. Und wieder andere haben Kinder. Ganz zu schweigen von den unzähligen Haustieren, die ebenfalls oftmals fester Teil der Familie sind.
Genau genommen gibt es in jedem Haushalt eine Sonne, um die mehrere Planeten kreisen. 

Das war lange Zeit meine Vorstellung, bis ich mich mit dem Thema intensiver auseinandersetzte.
Denn da erkannte ich plötzlich, wie komplex diese Sonnensysteme sind; sie verhalten sich nicht wie unser bekanntes Sonnensystem, in dem wir leben. Sie sind komplexer und von einer unglaublich tiefen Dynamik geprägt. Mehr noch, sie sind physikalisch unmögliche Gebilde.

Physikalische Unmöglichkeit — direkt bei dir um die Ecke

Warum sind diese Gebilde physikalisch unmöglich? Die Antwort ist etwas komplex und verwirrend, dennoch leicht nachzuvollziehen.

Jeder Mensch empfindet sich selbst als Sonne und betrachtet die anderen Familienmitglieder und Freunde sowie Bekannte, Arbeitskollegen und Mitmenschen als Planeten, die um ihn kreisen.

Lasse diese Aussage einmal auf dich wirken, bevor du weiterliest.

Das Zentrum der Welt eines jeden einzelnen Erdenbürgers ist jeder einzelne in seiner Betrachtung selbst.
Jeder nimmt sich selbst wichtiger als die anderen. Die eigenen Belange stehen im Vordergrund. Und innerhalb dieser eigenen Belange sind noch die Planeten — oder Familienmitglieder und Freunde sowie Mitmenschen — von einer gewissen Wichtigkeit.
Doch das eigene Wohl wiegt bei den allermeisten Menschen deutlich über die Belange der anderen.

Kinder liefern den reinsten Beweis

Am Reinsten erleben wir dies bei kleinen Kindern.
Meine jüngste Enkeltochter ist knapp zwei Jahre alt und zeigt in eindrucksvoller Weise, welche starke Sonne sie ist. Das Einzige, was sie interessiert, ist ihr eigenes Wohlergehen.
Hunger, Durst, Müdigkeit, der Wunsch nach Nähe, die Lust zu spielen — alles wird vehement und ohne Rücksicht auf Verluste eingefordert. Zähne kommen nachts und tun weh: die Eltern werden so lange beschrien, bis sie reagieren und zur Seite stehen.
Dass am nächsten Tag die Arbeit wartet, interessiert den kleinen Erdenbürger wenig, denn er selbst ist Zentrum seines Lebens.

Wenn, die Sonne ihre Planeten entdeckt

Mit der wachsenden Lebenszeit erkennt jedes Individuum, dass es nicht allein lebt.
Eltern, Geschwister, Großeltern, Freunde der Familie, Nachbarn, die Frau mit der Wurstscheibe an der Bedienungstheke — alle sind Planeten, die diese kleine Sonne entdeckt.
Sie erkennt allmählich die Wechselwirkung untereinander und wie sie untereinander in Beziehung stehen. Lernt sich anzupassen und wird erzogen.

In gewisser Weise dehnt sich der Kosmos aus.

Und fortwährend findet Sozialisierung statt.
Einige Kinder werden zu selbstbewussten Erwachsenen erzogen. Andere werden klein gehalten und sie verhalten sich unterwürfig. Manche haben künstlerische Interessen, andere entdecken den rationalen Weg für sich. Der eine entwickelt sich der Norm entsprechend, der andere fällt auf diese oder jene Weise außerhalb der Norm und lernt damit umzugehen.

Doch eine Sache ist für alle Individuen gleich: In ihrem Dasein sind sie selbst das Zentrum der Welt.

Es gibt doch Menschen, die sich aufopfern für andere; was ist mit denen?

Diese Menschen sind ebenfalls für sich selbst das Zentrum der Welt.

Und sie sind wichtig, denn sie wissen, dass ohne ihr Aufopfern, ohne ihre Strahlkraft und ohne ihre Hilfe kein Fortkommen möglich ist.

Das Elternteil, das sich für seine Familie aufopfert, kennt seine Rolle genau. Seine eigene Wichtigkeit verhilft ihm zu ungehörigen Kräften. Die helfende Hand erkennt, dass sie hilft und wird damit bedeutend. 

Natürlich gibt es altruistische Personen. Ebenso, wie es egoistische Personen gibt, die das genaue Gegenstück bilden. Doch der Antrieb des uneigennützigen Handelns ist selten ohne Nutzen für die betreffende Person. Darüber lohnt es sich, mal etwas länger nachzudenken.

Damit beabsichtige ich das positive Tun nicht kleinzureden. Damit würde man mich missverstehen. Doch jedem Handeln geht eine Absicht voraus. Jede Tat ist begleitet von einem Motiv. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um aufopferungsvolle Handlungen oder um egoistisches Tun geht. Rein objektiv verbirgt sich hinter jedem Vorgang ein Gedanke, der eine Absicht in sich trägt, die für den Ausübenden von Wichtigkeit ist.

Wenn Sonnen auf Sonnen treffen, die sie für Planeten halten

Kompliziert wird es, wenn Menschen aufeinandertreffen.

Jeder einzelne empfindet sich als wichtig. Das ist gut. Und das ist richtig. Doch was bedeutet diese Erkenntnis, wenn zwei Menschen miteinander interagieren?

Jede Sonne hält den anderen für einen Planeten. Und so gehen sie miteinander um. Es werden Gespräche geführt, doch selten in umfassender Tiefe. Das ist gar nicht möglich, da jede Sonne als Zentrum der Welt selbst strahlen möchte.

Das sieht man ziemlich häufig im Café oder Restaurant. Ebenfalls, wenn man auf einer Parkbank sitzt. Menschen beobachtet und schaut, wie sie miteinander interagieren.
Person A erzählt etwas, worauf Person B kaum eingeht und selbst etwas erzählt. Doch die Person A möchte selbst etwas berichten, weswegen sie weiter macht mit ihrem Thema. Person B handelt ähnlich. Und es findet ein Gespräch statt, doch nicht in der Tiefe, sondern oberflächlich und oftmals belanglos im Ausgang.

Deswegen sind gute Zuhörer so beliebt. Ein Wissen, dass sich jeder zunutze machen kann, wenn er bereit ist, andere strahlen zu lassen.

Okay, was nützt es, wenn ich in Sonnensystemen denke?

Die Erkenntnis zu haben, dass jeder sich selbst als Zentrum der Welt betrachtet, ist einfach. Du kannst die Welt nur mit deinen Augen sehen, mit deinen Ohren hören und mit deinen Empfindungen wahrnehmen. Dein eigenes Gehirn formt daraus deine eigene Welt, die sich deutlich von der anderer Menschen unterscheidet.
Das ist nicht nur logisch, sondern einfach nachzuvollziehen.

Der Nutzen aus dieser Erkenntnis ist jedoch enorm.

Verstehen, warum jemand ist, wie er ist

Wir urteilen recht schnell über Menschen. Ein kurzer Blick genügt in der Regel schon, um eine Schublade zu öffnen, in der jemand verschwindet. Ein gesprochener Satz und wir öffnen erneut eine Schublade. Aussehen, Verhalten, Nonverbales. 

Doch warum ist dieser Mensch, wie er ist? Welche Lebensgeschichte ließ ihn zu der Person werden, die wir wahrnehmen?
Darüber machen sich die allerwenigsten Menschen Gedanken. Wenn das Verhalten ihres Gegenübers ihnen nicht passt, urteilen sie. Ohne zu hinterfragen, wie es zu diesem Verhalten kommen konnte.

Jeder Mensch ist ein Sonnensystem. Welche Planeten umkreisten ihn? Hat er noch ausreichend Energie zum Strahlen? Was gibt ihm diese Energie? Was raubt ihm Energie? Welche Planeten, die ihn umkreisen, schwächen ihn? Stärken sie ihn? Welche Erfahrungen sorgten für mehr Energie? Welche für Energieraub?

Hier kann der einfache Dialog helfen. Fragen stellen und Antworten hören, statt urteilen und seinen Senf dazu geben. Sie auseinandersetzen, statt zu vermuten. Chancen geben, statt Möglichkeiten zu nehmen.

Aus meiner Lebenserfahrung heraus weiß ich heute, dass es für das Verhalten der meisten Menschen gute Gründe gibt. Egal, ob strahlende Persönlichkeiten, die andere Mitreißen. Oder grimmig einsilbige Menschen, denen jeder aus dem Weg geht. Und allen Abstufungen dazwischen.

Die allermeisten Menschen verlernten zuzuhören, wahrzunehmen und zu hinterfragen. Weil sie sich selbst oftmals zu wichtig nehmen — nur ihr eigenes Sonnensystem betrachten und im Gleichgewicht halten wollen.

Miteinander nur als Galaxie

Eine Galaxie beinhaltet mehrere Sonnensysteme. Gerne auch Milliarden.

Wie bei einem Mobile bedingen sie einander. Abhängig davon, wie nah sie sich stehen, mit mehr oder weniger Auswirkungen für das eigene Leben. Nicht immer wird das ziehen an einem Teil des Mobiles sofort an der gegenüberliegenden Seite sichtbar. Doch so wie unsere Wissenschaft, die immer komplexeren verwobenen Zusammenhänge in der Natur erkennt, so beinhaltet unser Handeln ebensolche Auswirkungen — mal mehr und mal weniger sichtbar.

Erst, wenn wir wirklich verstehen, dass wir Menschen eine Galaxie bilden. Erst, wenn wir begreifen, dass wir uns selbst wichtig nehmen sollten, doch andere ebenfalls wichtig sind. Dann werden wir Harmonie erzielen.

Im Großen aktuell unmöglich; zu viele Konflikte sind auf unserer Erde beheimatet. Zu viele Menschen können ausgenutzt werden für die Interessen anderer. Und mangels Weitsicht, Verständnis und Austausch finden Gruppen zueinander, die andere ausgrenzen.
Nicht nur viele Moslems, die Juden ausgrenzen. Oder Katholiken die Protestanten. Weiße die Schwarzen. Gesunde die Kranken. Gesunde die Behinderten. Starke die Schwachen. Junge die Alten.
Das fängt im Kleinen an, wenn sich Mutter, Vater und Kind gegen den unliebsamen Onkel zusammen tun. Arbeitskollegen sich gegeneinander verbünden. Und andere unzählige Beispiele können gefunden werden.

Wir sollten zusammenfinden, uns als Galaxie verstehen. Das bedeutet nicht sich mit jedem gut zu verstehen oder jeden zu mögen und mit Dauerlächeln durchs Leben zu ziehen. Galaxien sind nicht um sonst so groß, dass sich die einzelnen Sonnen mit ihren Planeten selten treffen.
Doch es bedeutet jedem seinen Lebensraum zu geben, zu versuchen einander zu verstehen.

Strahlen kann nur derjenige, der Energie hat

So wie es im All helle Sonnen gibt, die immens leuchten. Gibt es kleinere Sonnen mit wenig Strahlkraft. Es gibt rote Riesen und weiße Zwerge. Leben, Krankheit und Tod. 

Die Erkenntnis, dass Strahlen Energie bedarf, wird oftmals vernachlässigt.

Da wundert sich das Umfeld über den Burn-out von jemandem. Schüttelt den Kopf über eine Depression. Versteht nicht, wieso gerade keine Antwort auf eine WhatsApp kommt. Oder weswegen die Party gemieden wird.

Viele Menschen sind nicht in der Lage, mit ihrer Energie vernünftig zu haushalten. Sie geben Energie unkontrolliert an andere ab, erhalten jedoch kaum etwas zurück. Und wundern sich dann, wenn sie an Strahlkraft verlieren. 

Erst, wenn es mir gut geht, kann ich mich um andere kümmern. Ein Grundsatz, der für viele Menschen schwer umzusetzen ist.

Ich lebe nach dem Motto erst ich, dann meine Frau und anschließend Kinder. Dann Bekannte und anschließend der Rest der Welt.
Freunde, wir reden hier von echten Freunden, sind für mich Familie und denen gleichgestellt.
Doch die wichtigste Erkenntnis muss sein: erst wenn es mir gut geht, wenn ich Energie habe, kann ich abgeben. Folglich muss ich selbst erst einmal derjenige sein, dem es gut geht, damit ich Sorge dafür tragen kann, dass es anderen gut geht.

Jeder einzelne von uns ist wichtig und sollte sich um sich selbst kümmern. Einfach aus dem Grund, damit er sich für andere einsetzen kann. Und das geht erst dann auf Dauer gut, wenn es der Person, die sich einsetzt, selbst gut geht. Logisch, oder?

Der andere Blick — neue Möglichkeiten

Vielleicht schreitest du das nächste Mal, wenn du im Dunklen durch Stadt läufst, mit einem anderen Blick voran.
Dann siehst du keine Fenster mehr, sondern eigene Sonnensysteme. Keine Menschen mehr, sondern Planeten, die für den einen wichtiger und für den anderen belanglos sind.

Und du stellst dir vielleicht gelegentlich die Frage, was Menschen durch den Kopf geht, die dir beim Autofahren den Vogel zeigen, dir die ganze Arbeit überlassen oder sich bei dir nur sporadisch melden. Und das ist richtig zu hinterfragen.
Denn wenn du erst einmal den Blickwinkel änderst, kannst du deinem Gegenüber in deine Umlaufbahn helfen. In den allermeisten Fällen zeigt sich dann, dass der griesgrämige Mann in Wirklichkeit sympathisch, der stets meckernde Arbeitskollege nur mit sich unzufrieden und bei Wertschätzung freundlich und der nörgelnde Nachbar einsam ist.

Es lohnt sich, mit einem Teleskop andere „Planeten“ und „Systeme“ zu entdecken und sie für sich zu gewinnen.

Bildquelle(n):

  • Sonnensysteme in der Nachbarschaft: Stephan Fuchs / Pexels via Pixabay
  • Mobile: Stephan Fuchs mit künstlicher Intelligenz

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